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Datum: 01.04.2023

Eine Steinheimer Apothekergeschichte aus dem Jahre 1832

Apotheken vor Ort waren eine wichtige Anlaufstelle für Erkrankte, wenn auch die von den Apothekern angefertigte Medizin sich vor etwa 200 Jahren nicht jeder leisten konnte. Im Mittelalter erfolgte die Herstellung von Arzneimitteln noch häufig unter der Aufsicht des Arztes. Später erwarben die Apotheker zunehmend spezielle Fertigkeiten in der Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln. Dieses spezialisierte Fachwissen trug wesentlich dazu bei, dass sich der Beruf des Apothekers zu einem eigenen Berufszweig entwickelte. Von der Ausbildung bis zur Zulassung zum Führen einer Apotheke regelten Gesetze das gesamte Apothekerwesen. Wie Ärzte mußten sich aber auch Apotheker in damaliger Zeit vor lokalem Wettbewerb schützen, da es in einer Kleinstadt wie Steinheim mit damals circa 2.000 Einwohnern nicht einfach war, eine Apotheke rentabel zu führen.

Engelapotheke
Engelapotheke

Eine traditionsreiche Steinheimer Apotheke war die Apotheke, welche August Schlüter am 1. September 1811 in Steinheim eröffnete. Er konnte damals nicht ahnen, dass diese kontinuierlich 209 Jahre bestehen würde. Erst 2020 sollte die Engelapotheke, wie sie seit 1890 genannt wurde, ihre Türen für immer schließen.

Im Jahre 1840 lebte August Schlüter (58) zusammen mit Ehefrau Wilhelmine (42), Tochter Auguste (21) und zwei Söhnen sowie seinem Apothekergehilfen Wilhelm Gräbner (21) und der Magd Caroline Ridder (23) in der Marktstraße 1. Im Stadtarchiv findet sich eine interessante Akte (Karton 452), in der eine amüsante Geschichte um den besagten Apotheker erzählt wird. Acht Jahre zuvor, im Jahre 1832, hatte Schlüter noch keinen Gehilfen, und da er Ende September eine mehrtägige Reise machen wollte, war er gezwungen, eine Vertretung für seine Apotheke zu finden. Diese fand er in der Person des Apothekergehilfen Vennigerholz. Er konnte allerdings nicht ahnen, daß dieser „Gehilfe“ während seiner Abwesenheit allerlei Dummheiten anstellen sollte.

Vennigerholz war 1832 zunächst bei dem Apotheker Wachsmuth in Schwalenberg angestellt gewesen, wurde jedoch im Sommer wegen „liederlichen und ausschweifenden Lebenswandels“ entlassen. Er vertrieb sich danach die Zeit in den Schenken der Umgebung. Bei dieser Gelegenheit kam der 20-jährige auch nach Steinheim und wurde von Schlüter, der nichts von dessen früheren Verfehlungen wußte, als Vertretung angeheuert. Als Schlüter jedoch am 02.10.1832 von seiner Reise zurückkehrte, hatte der Apothekergehilfe mitnichten als seriöse Aushilfe gearbeitet, sondern sich wiederum gehen lassen: „Er schoß dem Stadthirten einen Hund todt, welchen er für einen Hasen gehalten haben wollte“. Weiterhin hatte er unbefugt die Jagd ausgeübt und seinen Zechkumpanen Rum aus dem Vorrat des Apothekers Schlüters ausgeschenkt. Doch ehe alles aufgeklärt werden konnte, hatte sich Vennigerholz bereits nach Leer in Ostfriesland abgesetzt, wie vom Bürgermeister in der Akte vermerkt wurde.

Im Haus des Apothekers Schlüters fand ein weiteres kurioses Ereignis statt. Am 4. August 1838 hatte der 16-jährige Conrad Engel, Sohn des Tagelöhners Heinrich Engel, morgens gegen 5 Uhr beim Gänsehüten zwischen Pfarrhaus und Kirchhof einen unver-siegelten Brief gefunden, den er seinem Vater übergab. Dieser brachte den Brief gegen 8 Uhr in die Wohnung des Apothekers, wo ihm dessen Tochter Auguste den Brief vorlesen sollte. Nachdem diese ihn laut vorgelesen hatte, mußten alle dort Versammelten so laut lachen, daß der sich gerade unten in der Apotheke befindliche Gendarm Grusky nach dem Anlass eines solchen Gelächters erkundigte. Er nahm den Brief an sich und übergab ihn Bürgermeister Vahle. Der Brief enthielt ein ungeheuerliches Schmählied gegen den preußischen König Friedrich Wilhelm III., welches aus Anlaß des Geburtstags des Königs am 3. August gedichtet worden war. Bürgermeister Vahle sah sich daraufhin gezwungen, ein Verfahren wegen schwerer Majestätsbeleidigung zu eröffnen, jedoch konnte der Verfasser letztendlich nicht ermittelt werden.