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Huldigung und Schmähung für Friedrich Wilhelm III.

Steinheim war 1815 nach dem Wiener Kongreß dem Königreich Preußen zugesprochen worden und wurde von da an vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. (geboren am 03.08.1770 und verstorben am 07.06.1840) regiert. Wie im restlichen katholisch geprägten Westfalen so brachte auch die Steinheimer Bevölkerung dem Preußentum allerdings nur wenig Sympathien entgegen, da man die Überheblichkeit der preußischen Verwaltung und den bevormundenden Regierungsstil ablehnte.

Und so kam es immer wieder auch zu regierungsfeindlichen Äußerungen innerhalb der Steinheimer Bevölkerung. Der 3. August, der Geburtstag des Königs, mußte jedoch auf dessen Befehl hin seit Anfang der 1830-Jahre wie überall im Land auch in Steinheim in gebührender Weise gefeiert werden. Die Diskrepanz zwischen verordnetem Feiern und Widerstand ist jedoch bemerkenswert.

Notiz Ablauf Feier Friedrich W. III.
Notiz Ablauf Feier Friedrich W. III.

Eine Akte im Stadtarchiv (Karton 127) berichtet von diesem feierlichen Ereignis im Jahre 1839. Der Ablauf der Geburtstagsfeier war bis ins letzte Detail sorgfältig geplant:
„Das Geburtstagsfest Sr. Majestät unseres teuersten König Friedrich Wilhelm III. wurde hier am 3.d.M. so wie in den vorhergehenden Jahren auf eine würdige Weise gefeiert. Schon früh morgens wurde das hohe Fest durch das Abfeuern der Böller und Trommelschlag angekündigt. Für die Schulkinder, die zum Scheibenschiessen mit einer Armbrust und sonstigen Belustigungen in schöner Anordnung vors Thor zogen, hatte der Magistrat einige Prämienbücher für die besten Schützen und mehreres Weißbrod, was durch die Lehrer an sämtliche Kinder vertheilt wurde, ankaufen lassen. Beim Rückmarsch in die Stadt wurden Lieder gesungen und dem Landesvater ein mehrfaches „Vivat hoch“ ausgebracht. „Ein äußerst munterer Ball beschloß die Feier, dessen ganze Gesellschaft gegen 12 Uhr nachts „Heil dir im Siegerkranz“ sang“. Daß dieser Geburtstag für Friedrich sein letzter sein sollte, wußten die Feiernden natürlich nicht, denn der König starb am 7. Juni 1840 nach einer 43-jährigen Regierungszeit im Alter von 70 Jahren.

Während die Steinheimer Beamten, Bürgermeister wie Lehrer, dem Preußentum verpflichtet waren, trat hingegen der Unmut der Steinheimer Bevölkerung gegen den preußischen König immer wieder zu Tage, sei es durch Beschimpfungen der von Preußen eingesetzten Beamten oder aber durch eine Schmähschrift gegen den preußischen König, die genau an seinem Geburtstag am 3.8. 1838 in Steinheim in Umlauf gebracht worden war. Der junge Bürgermeister Philipp Vahle, ein pflichtbewusster preußischer Beamte, war gezwungen gewesen, diesem Vergehen nachzugehen. Der Urheber der Schrift konnte jedoch nicht ermittelt werden.

Schreiben des Landrates
Schreiben des Landrates

Vor diesem Hintergrund sind auch die nachfolgenden Ereignisse zu betrachten (Karton 452). Am 11. Juni 1838 benachrichtigte der Landrat den Bürgermeister Vahle in Steinheim davon, dass unter den Kindern in den Schulen ein Aufruf an alle Westfalen im Umlauf sei, der eine üble Stimmung gegen das Gouvernement erzeugen solle: „Man hat versucht, in den Schulen unter den Kindern einen Aufruf an die Westfalen zu verbreiten, wodurch eine übele Stimmung gegen das Gouvernement bezweckt wird. Ich ersuche Sie, ohne Aufsehen unter der Hand in den Schulen in den Schreibbüchern der Kinder nachzusehen, ob darin dergleiche Schriften sich vorfinden causa quo (d.h. wenn ja) sind solche sofort in Beschlag zu nehmen und hier einzusenden“. Am 30. Juni nahm Vahle die angeordnete Untersuchung der Schreibbücher unter Mithilfe des Polizeidieners und des Gendarms in Angriff. Wie das vonstatten ging ist nicht überliefert, aber immerhin mußten etwa 200 Schreibbücher möglichst unbeobachtet kontrolliert werden.

Notiz Vahle nach Revison
Notiz Vahle nach Revison

Seine Notiz in der Akte nach Beendigung des Vorgangs: „Die heutige Revision der Schulen hat ergeben, daß von den fraglichen Schriften unter der hiesigen Schuljugend, keine verbreitet sind“. Vahle wollte jedoch ein Auge auf etwaige Umtriebe in den Schulen haben und versicherte dem Landrat „Die mir zur Pflicht gemachte strenge Wachsamkeit in oben genannter Sache werde ich nicht außer Acht lassen“.

01.10.2023