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Datum: 07.08.2023

1855: Steinheim erhält erste Wasserleitung

Der Kump (eine regionale Bezeichnung für „Brunnen“) auf dem Marktplatz der Stadt ist heute ein beliebter Treffpunkt, der Jung und Alt zum Verweilen einlädt. Weithin unbekannt ist jedoch, daß er einst gebaut wurde, um als Wasserreservoir für die erste Steinheimer Wasserleitung zu dienen. Im Jahre 1855 wurde er an der Stelle des ehemaligen, 1835 abgebrochenen Rathauses errichtet. Der Brunnen hat einen Durchmesser von 7 Meter und ist 2.90 Meter tief. Er diente als Löschwasserreservoir, zum Tränken von Tieren, sowie zur Versorgung der Einwohner mit sauberem Trinkwasser. Die Einlaßlöcher für die Wasserhähne zur Entnahme des Trinkwassers sind heute noch sichtbar, gleichfalls das leicht verwitterte damalige Stadtwappen. Gespeist wurde das Wasserbecken von einer Quelle außerhalb der Stadt durch Tonröhren, die später durch Eisenrohre ersetzt wurden.

1968 Marktplatz mit Kump (Hans Hild)
1968 Marktplatz mit Kump (Hans Hild)

Eine umfangreiche Akte im Stadtarchiv (Acta des Stadt-Vorstandes zu Steinheim betreffend: die Wasserleitung) (Karton 282) enthält wichtige Unterlagen zur Durchführung des Unterfangens wie etwa das Protokoll der Stadtratssitzung vom 21. November 1854, auf der das Projekt ausführlich diskutiert wurde. Auch die Stadtchronik für das Jahr 1855 hält das Ereignis fest: „Auf den Antrag des Bürgermeisters wurde in diesem Jahre von der Stadtbehörde beschlossen, daß für hiesige Stadt eine Wasserleitung angelegt werden sollte. Nach älteren Nachrichten hat die Stadt Steinheim schon seit länger als 100 Jahren den Wunsch gehegt, eine Wasserleitung zu besitzen, da die gewöhnlichen mehr tiefen Brunnen bei größeren Brandunglücken nicht ausreichend befunden“.

Im Jahre 1855 hatte Steinheim 2292 Einwohner, welche ihr Trink-, Nutz- und Löschwasser aus Brunnen, dem Heubach oder der Emmer schöpfen mußten. Die Brunnen waren jedoch häufig stark verunreinigt und hielten auch für die in der Gemeinde gefürchteten Brände oft nicht genug Wasser bereit. Der Stadtrat hatte bereits früher Pläne entworfen, wie man Wasser in die Stadt bringen konnte, etwa aus dem Teichwasser von Menzenbrock her oder durch ein bei der städtischen Sägemühle anzulegendes Druckwerk. Alle diese Vorschläge waren jedoch aus Kostengründen verworfen worden. Auf Anregung des Bürgermeisters Vahle sollten die Quellen im sogenannten Schmäsieke, welche beständig fließend seien, für die Wasserleitung in Betracht kommen. Dazu beauftragte er den Bauführer Klee aus Höxter mit einem sogenannten Nivellement. In einem Gutachten kam dieser zu dem Ergebnis, dass das Gefälle zwischen der Quelle und dem Marktplatz für eine Wasserleitung geeignet sei: „Von dem jetzigen Wasserspiegel der Quelle bis zum Punkte des mitten am Markt liegenden Hauses Nr. 6 ergibt sich ein Gefälle von 37 Fuß 9 Zoll" (rund 11,30 m). Die Originalzeichnung des Nivellements ist noch in der Akte erhalten. Nach einer Besichtigung der Quelle vor Ort zusammen mit dem Stadtrat wurde der Bau der Wasserleitung beschlossen. Dazu erwarb die Stadt das Grundstück, auf dem die Quelle lag für 200 Reichstaler. Heute ist die (unterirdisch verlaufende) Quelle an der Lotherstraße nicht mehr sichtbar, jedoch war die Stelle früher mit einem kleinen Brunnenhäuschen markiert. Der Kump wird seit 2015 von einer Wasserleitung mit Wasser gespeist.

Die Stadtchronik berichtet weiter: „Die Ausführung geschah lediglich unter Aufsicht und Leitung des Bürgermeisters ohne Zuziehung eines Technikers. Die Maurerarbeiten sind durch den geschickten jungen Maurermeister Wilhelm Lakemeyer von hier ausgeführt. Die Sandsteinarbeiten im Bruche bei den Externsteinen angefertigt und die Thonröhren vom Brunnenmeister Lamm aus Arolsen gelegt“. Der Grundstein wurde am 4. September 1855 gelegt, und die Fontaine am Geburtstag des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm IV. am 15. Oktober zuerst in Gang gebracht. Die Kosten der ganzen Anlage beliefen sich auf 2500 Reichstaler.

Bürgermeister Vahle selbst ließ für sich einen Wasserzug vom Kump direkt an sein Haus in der Marktstraße 6 leiten. 20 Jahre später, 82-jährig und längst aus dem Amt geschieden, wollte ihn die Stadt dazu verpflichten, für diesen Wasserzug ein Reservat anzulegen. Ein besonders anrührender Brief des Landrats an den Magistrat von Steinheim vom 18. Mai 1876 führt dazu aus, das dieser Kenntnis von jenem Bescheid erhalten hätte: „eine an Vahle gerichtete Bescheidung bezüglich des Wasserzuges, welcher aus dem Bassin in sein Wohnhaus abzuleiten ist, habe ich erfahren, daß von ihm ein reservat (d.h. Wasserreservoir) wegen des Wasserzuges verlangt wird“. Hierzu war der ehemalige Bürgermeister aber wohl nicht in der Lage. Der Landrat schrieb weiter, daß die Sache keine Angelegenheit des Rechts sei, sondern „Die Berechtigung (zur Beibehaltung des Wasserzuges) ist das Ehrengeschenk, welches die dankbaren Bürger der Stadt Steinheim ihrem alten Bürgermeister, dem Gründer der ganzen Wasserleitung, zu seinem Hause gaben und belassen müßten“. Der Bürgermeister, der nunmehr an die Grenze seiner Tage gekommen sei, wäre Jahrzehnte aufopfernd und mit großen Erfolg für die Stadt tätig gewesen, weshalb es der Stadt Steinheim zur Ehre und zur Zierde gereichen würde, demjenigen, der die Wasserleitung projektiert hätte, auch den Wasserzug dauernd zu belassen! Knapp 170 Jahre später gehören wir alle zu den privilegierten Nutzern einer Wasserleitung: Wir müssen nur den Wasserhahn aufdrehen!